11/09/2021

Während sich die Staaten der ganzen Welt in Glasgow im Rahmen der COP26 versammeln, um nach Lösungen für die Klimakrise zu suchen, quantifizieren die Autoren einer heute veröffentlichten Studie erstmals die Investitionen, welche die grössten in der Schweiz kotierten Industrieunternehmen tätigen müssten, um ihre Treibhausgasemissionen auf netto null zu reduzieren. Sie könnten so ihre Geschäftstätigkeiten fortführen und gleichzeitig die Wasser- und Kulturlandreserven unseres Planeten erhalten. Diese Investitionen dürften ihnen ferner erlauben, längerfristig CHF 34 Milliarden pro Jahr einzusparen.

Welche Umweltauswirkungen haben die grössten, in der Schweiz kotierten Industrieunternehmen? Und welche Investitionen müssten sie tätigen, um diese Auswirkungen in für unseren Planeten tragbaren Grenzen zu halten? Während sich immer mehr Unternehmen zu einem Netto-Null-Ziel bezüglich Treibhausgasemissionen («Net Zero») bis 2050 verpflichten, ermittelt eine von Ecometrics, Valuing Impact und Sofies erarbeitete und von Ethos mitfinanzierte Studie zum ersten Mal die Kosten solcher Ziele. Dabei zeigt sich, dass die 14 Nicht-Finanzunternehmen* im Swiss Market Index (SMI) jährlich CHF 28 Milliarden aufwenden müssten, wenn sie ihre Treibhausgasemissionen auf netto null senken und ihre Geschäftstätigkeiten fortführen wollten, ohne die Wasser-und Kulturlandreserven unseres Planeten zu gefährden («Planetary Boundaries»). Dieser Betrag entspricht etwa 60% ihrer im Jahr 2020 erzielten Gewinne und 4% des BIP der Schweiz.

Dieser Betrag mag beträchtlich erscheinen, aber die Autoren der Studie, Damien Friot und Samuel Vionnet, weisen darauf hin, dass es sich dabei nicht um A-fonds-perdu-Investitionen handelt, ganz im Gegenteil. Sie dürften den betroffenen Unternehmen sogar jährliche Einsparungen («avoided costs») in der Höhe von rund CHF 34 Milliarden ermöglichen, das heisst weit mehr als die getätigten Investitionen. Zudem entfällt die Mehrheit der fraglichen Investitionen auf die Lieferketten, so dass die Kosten mit anderen Unternehmen, welche dieselben Dienstleister in Anspruch nehmen, geteilt werden sollten.

«Es ist das erste Mal, dass man die Nutzung des Naturkapitals in einem grossen Index wie dem SMI wirklich misst», erklärt der Direktor von Ethos, Vincent Kaufmann. «Die Studie zeigt zwar, dass die grossen Schweizer Unternehmen bedeutendere Umweltauswirkungen haben als bisher angenommen. Sie belegt aber auch, dass die Kosten von Lösungen zur Reduzierung dieser Auswirkungen für die Unternehmen durchaus tragbar sind und dass sich die für die Sicherung der Zukunft unseres Planeten notwendigen Investitionen mittelfristig auch rentieren werden.»

Ein ökologischer Fussabdruck, der grösser ist als derjenige der Schweiz

Um zu diesen Ergebnissen zu gelangen, stützten sich die Autoren der Studie auf die von den Unternehmen veröffentlichten Daten sowie auf Modelle, welche die Umweltauswirkungen ihrer Lieferketten und ihren Verbrauch an Wasser und Kulturland berücksichtigen. Gemäss den Berechnungen der Autoren verursachten die 14 untersuchten Unternehmen im Jahr 2020 305 Tonnen CO2, was dem 6,5-fachen der territorialen Emissionen der Schweiz entspricht. Ihr Wasserverbrauch lag bei rund 12'000 Millionen m3 (d.h. 3,5-mal denjenigen der Schweiz) während das von ihnen genutzte Kulturland 6,5 Millionen Hektar betrug (1,6-mal die Grösse der Schweiz).

Anschliessend untersuchten die Autoren die Lösungen zur Reduzierung dieser Umweltauswirkungen, etwa die Nutzung erneuerbarer Energien oder nachhaltiger Verkehrsmittel, sowie die Kosten, die durch diese Lösungen vermieden werden könnten, in erster Linie die Kosten der ungenutzten fossilen Energieträger. Gemäss ihren Berechnungen müssten die Nicht-Finanzunternehmen des SMI jährlich CHF 21,5 Milliarden investieren, um ihre Geschäftstätigkeiten fortzuführen, ohne die Biodiversität und Wälder zu gefährden, und um ihre CO2-Emissionen um (durchschnittlich) 29% zu reduzieren. Die Autoren weisen darauf hin, dass die derzeit zur Verfügung stehenden Lösungen es jedoch nicht erlauben, diese Emissionen weiter zu verringern, so dass die Unternehmen weitere CHF 6,5 Milliarden investieren müssten, um der Atmosphäre sämtliche CO2-Emissionen zu entziehen, entweder auf natürlichem Wege (Pflanzen von Bäumen) oder mit technologischen Mitteln (Abscheidung und Speicherung).

«CO2-Senken und CO2-Kompensation sollten nur ergänzend verwendet werden, wenn keine alternative Lösung zur Verfügung steht», betont David Rochat, CEO von Sofies. «Denn diese beiden Massnahmen allein reichen nicht aus, um den Klimawandel auf globaler Ebene zu bekämpfen. Das Hauptziel jedes Unternehmens sollte eine maximale Verringerung seiner direkten und indirekten Emissionen sein, bevor es eine Kompensation in Erwägung zieht», schliesst er. 
Diese Studie wird es den Aktionären ermöglichen, den Dialog mit den betroffenen Unternehmen zu intensivieren und sie zu ermutigen, noch mehr zur Verringerung ihrer Umweltauswirkungen zu unternehmen, indem sie ihnen die quantifizierten Kosten der für sie umsetzbaren Lösungen vorlegen. Zu diesem Zweck stellen die Autoren den Unternehmen, aber auch den Anlegern, eine Liste von Empfehlungen zur Verfügung. 


* Die sechs Finanz- und Versicherungsunternehmen im SMI wurden nicht in die Analyse einbezogen. Grund war die Komplexität der Methodik und das Fehlen von Daten zur Bestimmung der Umweltauswirkungen ihrer Anlagen und Kreditportfolios anstelle derjenigen ihrer Tätigkeiten und Lieferketten.

Nachricht
Nachhaltige Entwicklung
Nachhaltige Geldanlagen